Als er die Fahrertür aufbrach und den Wagen kurzschloss, da wusste er nicht, was ihn erwartete. Er suchte sich keinen Neuwagen aus, sondern ein schon recht ramponiertes Modell, mit Lackschäden und durchgerosteter Motorhaube.
Nachdem er schon eine Weile gefahren war, bemerkte er, dass sich die Nadel der Tankanzeige bereits im roten Bereich befand. Er hielt an der nächstgelegenen Tankstelle und füllte den Tank zur Hälfte. Als er wieder ins Auto stieg, saß eine Frau auf dem Beifahrersitz, die ihn mit einem Lächeln und erwartungsvollem Blick ansah.
"Hast du mir was mitgebracht?"
- "Ich...wer..."
Sie riss ihm den Schokoriegel aus der Hand, den er eigentlich für sich gekauft hatte, und aß ihn ohne ein weiteres Wort zu sagen. Dann beugte sie sich zu ihm, zog ihn zu sich heran und küsste ihn stürmisch auf den Mund. Er schmeckte das Karamellaroma an ihren Lippen und ließ den Kuss einfach geschehen. Dann setzte er sich wieder in seinen Sitz und fuhr los.
"Wohin fahren wir?"
- "Ich weiß nicht..."
"Lass' uns mal wieder zum See fahren, wir waren so lange nicht am See!"
Plötzlich kam es ihm vor, als würde er sie schon ein Leben lang kennen.
Der See war nicht weit, doch die wenigen Kilometer Autobahn, die sie zuerst hinter sich bringen mussten, wurden von einem Stau begleitet, der die Reise um mehrere Stunden hinausziehen sollte.
Sie nutzten die Zeit, redeten, lachten, küssten und sahen sich an, wie zwei Menschen, die nie etwas anderes sehen wollten. Nie etwas anderes, als die Person, in der sie sich selbst wiederfinden konnten.
Die Hupe des Hintermannes riss sie schließlich aus ihrer Seligkeit und markierte gleichzeitig die Beendigung des Verkehrerliegens. Es dauerte nun nicht mehr lang, bis sie den See erreichten. Er stieg aus dem Wagen und wartete, dass sie ihm folgte. Doch als sie versuchte die Tür zu öffnen, war diese wie verriegelt. Er dachte zunächst daran, dass sie scherzte, doch als er sah, wie die Verzweiflung sich nach und nach in ihrem Gesicht breit machte, da versuchte auch er sich an der Tür, vergebens. Als er ihr über die Fahrerseite heraushelfen wollte, bemerkte er, dass sie noch angeschnallt war. Er wollte den Gurt lösen, doch dieser klemmte fest und hielt sie im Sitz gefangen. Sie griff mit einer Hand seine, die noch immer versuchte, den Gurt zu lockern und mit der anderen wischte sie ihm den Schweiß von der Stirn, dann fuhr sie durch sein Haar. Er sah sie an, sie lächelte dasselbe Lächeln, das er an der Tankstelle zum ersten Mal sah und schaute ihn genauso erwartungsvoll an. Und er wusste nicht, wie er sie befreien konnte, und er sah, wie sie vor seinen Augen immer mehr verblasste. Als sie schon fast nicht mehr zu erkennen war, da zog sie ihn ein letztes Mal an sich heran und küsste ihn. Dieses Mal schmeckte er nichts.
Als sie schließlich völlig verblasst war, stieg er aus dem Wagen und starrte auf den See. Er hatte ihn nie zuvor gesehen. Die Sonne spiegelte sich im Wasser, bis sie schließlich mit dem Mond den Platz tauschte. Nun stand er auf, ließ das gestohlene Fahrzeug stehen und schritt mit der Erinnerung an ein Auto, das ihm nie gehörte, der Dunkelheit entgegen.