Saturday, November 18, 2006

Schwarzes Schaf

Es brannte in jener Nacht, in der er schlafwandelnd vor einen heranbrausenden Löschzug lief. Er brach sich beim Aufprall diverse Knochen in diversen Körperregionen, doch nach wenigen Wochen konnte er entlassen werden. Er war froh aus dem Krankenhaus zu sein, in welchem er von Schwester Tina stets wortarm und lieblos abgefertigt wurde. Wie ein Kaugummipäckchen, das über den Supermarktscanner gezogen wird.
Seine Mutter holte ihn ab, sagte kaum ein Wort, sah ihn kaum an, sah nur auf die Straße, wie ein Zombie blickte sie drein, wie eine Tote unter den Lebenden.
Als sie zu Hause ankamen, war außer den beiden niemand daheim. Normalerweise ist sein Vater um diese Zeit hier. Er hatte sich darauf gefreut, mit ihm ein wenig Autorennen zu spielen, auf der Konsole, doch er traute sich nicht zu fragen, wo er denn sei, der Vater. Er kam auch nicht zu Besuch, als er im Krankenhaus lag. Als einziges Familenmitglied besuchte ihn die Großmutter. Vater arbeitet, er arbeitet ja so viel, sagte diese stets. Mutter geht es nicht gut, die Mutter hat viel zu tun. Nun sah er mit eigenen Augen, dass es Mutter nicht gut ging. Doch er traute sich nicht zu fragen, warum. Auch fragte er nicht, wo denn sein Vater sei. Er fürchtete sich vor der Antwort, ohne genau zu wissen, weshalb.

Als er am nächsten Morgen aufwachte, da war seine Hand ans Bettgestell gekettet. Er erschrak und schrie, bis endlich seine Mutter auftauchte, um ihn loszumachen. Er sah, dass sie weinte, weinte selbst, rief seinen Vater, doch er kam nicht und seine Mutter schluchtzte nur noch mehr. Sie fasste ihn bei der Hand, nahm ihn mit in den zweiten Stock, wo sein Vater oft bis spät in der Nacht am Computer saß und arbeitete. Doch der Computer war nicht da, nur schwarz, überall schwarz.

Er stürmte in sein Zimmer zurück, kettete sich ans Bett und wollte schlafen, nur noch schlafen und die Sirenen loswerden, die seinen Kopf nicht mehr verließen.