Monday, February 18, 2008

Beifahrerflucht

Seit dem Unfall sehe ich doppelt. Da ist zwei von allem, wo vorher eins war. Zwei von dir. Direkt nebeneinander. Meistens sieht es dann so aus, als liefe dein Spiegelbild neben dir her. Doch letztens, da war es für einen Augenblick so, als sei etwas nicht richtig, als seien da tatsächlich zwei verschiedene Seelen in deiner Doppelgängerin und dir. Nur eine kleine Geste, doch sie stellte alles auf den Kopf, denn sie war nur einmal wahrzunehmen, nicht doppelt. Seitdem warte ich darauf, dass es noch einmal passiert. Ich weiß, es klingt verrückt. Vielleicht ist bei dem Unfall ja doch mehr in mir kaputt gegangen, als das eh schon Offensichtliche. Etwas, das die Ärzte übersehen haben.

Jetzt, wo ich endgültig an meinem Verstand zu zweifeln beginne, da ist sie wieder. Nur einmal, nicht doppelt. Eine Geste, ein Fingerzeig, der mich zum Folgen aufruft. Nur einer. Ich gehe dir nach bis du stehen bleibst und den Finger auf den Spiegel an der Wand richtest. Nur einmal, nicht doppelt. Ich sehe hinein und will meinen Augen nicht trauen, schaue dich an, alles dreht sich, alles dreht sich doppelt und dann wird es dunkel, ganz furchtbar dunkel.

Die Ärzte sagen, ich hätte unwahrscheinliches Glück gehabt. Mein erneuter Sturz habe einen reversibelen Effekt gehabt, die Doppelsichtigkeit verschwunden, alles wieder normal, alles einzeln, alles nur noch einmal da. So sitzt du nun an meinem Bett, ganz ohne Doppelgängerin, ganz gestenlos, ganz allein. Mein Lächeln wirkt gequält, doch schon in ein paar Tagen werde ich schmerzfrei sein, sagt man mir.

Heute ist meine Entlassung und ich bin froh, endlich wieder in meine normalen Klamotten schlüpfen zu dürfen. Alles ist wieder, wie es vorher war, als sei nie etwas passiert. Ich ziehe meine Jacke über, da sehe ich dich hinter mir im Spiegel und ich weiß, dass ich heute besser dich fahren lasse, da ansonsten ein weiterer Unfall vorprogrammiert wäre.

Fahr' vorsichtig.