Saturday, December 06, 2008

Perfektion

Es ist still geworden. Er hat den Tisch gedeckt, für sich allein. Er hat immer gewusst, was ihm fehlen würde, wenn es nicht mehr da ist. Jetzt erst versteht er es. Er begießt den Braten immer wieder mit Fond, viel häufiger als eigentlich notwendig. Er will sicher sein, dass es gelingt. Alles muss perfekt sein. Immer wieder schaut er zur Uhr, ganz ungeduldig, auch wenn es keinen Grund dafür gibt. Er schmeckt den Rotkohl ab, den er viel zu früh aufgesetzt hat. Er konzentriert sich auf das leise Ticken der Uhr, um der Ohnmacht zu entfliehen. Dann gießt er ein letztes mal Fond über den Braten, den er anschließend tranchiert. Es kommt ihm vor, als schneide er sich selbst. Schmerzen kann man nicht erinnern, hat er mal gelesen. Er nimmt eine Keule und legt sie zu dem Rotkohl und den längst abgekühlten Klößen auf einen Teller. Nur noch eine Kerze erleuchtet den Küchentisch, an dem er nun sitzt.

Tick. Tick. Tick.

Je mehr man spricht, je mehr läuft man Gefahr, andere zu verletzen, hat er mal gelesen. Er will niemanden verletzen. Er sieht sich die Narben an seinen Händen an. Auch die neuen. Er will nichts sagen und nichts hören. Alles muss perfekt sein.

Tick. Tick. Tick.

Als die Kerze erlischt, steht er auf, schaltet das Licht ein und schmeißt den Braten zu denen der Vortage in den Müll. Er hat keinen Bissen genommen. Jetzt erst versteht er es. Er wischt das Blut vom Tranchiermesser ab, legt sich auf die kalten Fliesen und hört noch einige Zeit dem Ticken zu, bevor er einschläft. Es war wieder einmal ein perfekter Abend.

Tick. Tick. Tick.