Sunday, October 09, 2005

Augen-Blicke

Man kommt einfach nicht drumrum. Nahezu jeden Tag ist man gezwungen zu reden. Mit den Eltern, mit der Frau an der Supermarktkasse, mit Arbeitskollegen, mit Freunden, mit wem auch immer. In der Regel ist das nichts Aufregendes. Man hat eine gewisse Routine darin, die immer gleichen Gesprächsabläufe möglichst kurz und schmerzlos hinter sich zu bringen. Auf ein "Wie geht's?" folgt ohne nachzudenken ein "Gut, und selbst?", dann ein kurzer Kommentar zur aktuellen Wetterlage, schließlich die unbehagliche Gesprächspause, bevor man vielleicht ein Thema aufgreift, welches gerade durch die Medien ging. Der Küblböck, das is vielleicht ein schräger Vogel. Jaja.

Meistens merkt man gar nicht, dass ein Schweigen durchaus der angenehmste Teil eines solch vorformatierten Gespräches sein kann. Man hört einfach kurz auf über etwas zu reden, über das man gar nicht reden will. Doch man fühlt sich unwohl. Dann wandern die Blicke, wandern von umstehenden Leuten über Reklametafeln, bis hin zu den eigenen Füßen. Nur nicht in die Augen des anderen. Vielleicht würde sonst klar werden, dass man sich eigentlich gar nichts zu sagen hat.

Auf der anderen Seite gibt es jedoch meist auch einen Menschen, mit dem man jedes gewechselte Wort genießt, egal was es ist und egal worum es geht. Man will gar nicht mehr aufhören, findet immer wieder neue Themen und wenn es wirklich gut läuft, ja, dann braucht man nicht mal mehr ein Thema, um miteinander reden zu können.
Doch egal, wie viel man auch redet, es bleibt immer etwas zurück, was man dem anderen mehr als alles andere in der Welt sagen möchte, es jedoch einfach nicht über dir Lippen bringt. Nie ist der richtige Zeitpunkt, nie der richtige Augenblick, immer wieder findet man Ausreden, die einen von der eigenen Feigheit abzulenken vermögen.
Dann sitzt man da und schweigt. Und schließlich wandern wieder die Blicke, bis man sich vielleicht irgendwann bewusst wird, wohin man eigentlich schauen sollte: In die Augen, bevor es zu spät dafür ist.