"Jetzt beginnt der Ernst des Lebens" hat man mir gesagt, da war ich gerade mal 6 Jahre alt. Das war natürlich ein Schock. Sollte ich vielleicht die ersten sechs sorgenfreien Jahre meines Lebens nicht voll ausgekostet haben? Hat man mich überhaupt gut genug vorbereitet, für diesen Ernst, der sich fortan in mein Leben einmischen sollte? Ist die große, spitze Tüte mit den Süßigkeiten etwa meine Henkersmahlzeit?
Ja, so oder zumindest so ähnlich dachte ich wohl damals, mit sechs, bei meiner Einschulung. Unsicher und auch ein wenig ängstlich mimte ich ein Lächeln für das Foto, auf dem ich später ein Alf-T-Shirt mit der Aufschrift "Null Problemo" tragen sollte. Wenn Alf wüsste, dachte ich ganz heimlich.
Doch irgendwie hatte ich mir den Ernst des Lebens ein wenig anders vorgestellt. Ich lernte Lesen, Schreiben und Rechnen, spielte jedoch ansonsten mit Freunden, wie ich es vor meiner Schulzeit auch tat. Ich war ein wenig erleichtert. Nein, nicht ein wenig, sehr sogar. Und so gingen die Jahre dahin...
Irgendwann war man schließlich zu alt, um zu "spielen". Da unterhielt man sich dann mit seinen Mitschülern. Über die Schule, die Lehrer, über Sport vielleicht...und irgendwann, dann auch mal über Sexualität. Natürlich alles unter dem Deckmantel des Humors. Mittlerweile konnte auch jeder halbwegs schreiben, lesen und rechnen. Dann lernte man halt Kurven auszuwerten, Gedichte zu interpretieren und Sprachen zu sprechen, die entweder kein Mensch mehr sprach oder kein Mensch mehr sprechen wollte. Es wurde langsam ernster, soviel war klar. Doch irgendwie lachte ich immer noch jeden Tag, fand immer noch Gefallen an meinem Leben und war auf eine gewisse Art tatsächlich glücklich. Ja, so richtig glücklich.
Doch es blieb leider nicht dabei. Es wurde schwieriger, die Noten, Freunde und vor allem, den Mund zu halten. Etwas, was es vorher gar nicht gegeben hat. Die Notwendigkeit, seine eigenen Gedanken zu unterdrücken beziehungsweise sie einfach für sich behalten zu können. Und irgendwie ging auch das mit der Zeit ganz gut.
Das Mädchen, welches mir gegenüber saß, lachte nicht mehr so oft, wie sie es noch vor einem Jahr getan hatte. Sie war für mich wie ein vorgehaltener Spiegel, der mit zunehmender Zeit Risse bekam. Irgendwann schaute ich einfach nicht mehr hinein.
Schließlich kam dann der Tag, an dem dies alles vorbei sein sollte. Nie mehr Schule. Da umarmte ich die Menschen, die mein Schicksal mit mir so viele Jahre geteilt hatten. Und für einen Augenblick lachten wieder alle, so wie sie damals lachten, ganz frei und rein. Und sie merkten gar nicht, dass man ihnen die Welt nur von den Schultern genommen hatte, um sie etwas später gegen eine noch wesentlich größere einzutauschen. Und ich konnte gar nicht anders, als mitzulachen, auch wenn mir in diesem Moment bewusst wurde, dass ich dem Null-Problemo-T-Shirt längst entwachsen war.