Saturday, November 25, 2006

Der Tod des Landschaftsgärtners - Ein Einakter



Personen

Ein Mann, Landschaftsgärtner
Der Tod


Erster und letzter Auftritt, erster und letzter Aufzug

Stadtpark, eine mitteleuropäische Großstadt




Mann: Hey, Sie, na Sie sind mir ja einer. Sie sehen ja aus wie der Tod persönlich.
Tod: Ach, finden Sie? Sowas haben schon viele gesagt, vielleicht ist da ja doch was dran.
Mann: Na wenn Sie hier mit Ihrer schwarzen Kaputze und so 'ner rostigen Sense rumsitzen, da kann man schon auf so einen Gedanken kommen. Aber ich warne Sie! Hacken Sie bloß nicht mit Ihrem Gerät in meinen Beeten rum! Sonst können wir gerne den Spieß umdrehen und SIE machen Bekanntschaft mit dem Tod!
Tod: Is' ja gut, Mann! Regen Sie sich ab! Ich will hier nur in Ruhe meine Stulle essen, dann gehe ich wieder an die Arbeit. Ihre Beete interessieren mich dabei nicht sonderlich.
Mann: Aha, was arbeiten Sie denn, wenn man fragen darf?
Tod: Wonach sieht's denn aus, mein Herr?
Mann: Ja, klar, Sie Spinner! Als ob der Tod eine Stulle essen müsste, um sich zu stärken...
Tod: Irgendwovon muss der Tod doch auch leben, mein Herr.
Mann: Sicher. Das ist sicher ein stressiger Job, was? Sterben ja täglich ein paar Millionen Menschen. Im Moment stirbt doch sicher auch jemand, sollten Sie da nicht dabei sein?
Tod: Quark, Mann! Jetzt hab ich Pause. Jetzt ess' ich meine Stulle und danach sehen wir weiter.
Mann: Und was ist mit den Menschen, die in Ihrer Pause sterben?
Tod: Na deren Seele bleibt halt so lange noch in deren toten Körpern. Ist doch kein Problem. Seelen werden ja nicht schlecht oder verfaulen mit. Was dachten Sie denn? Dass ich bei jedem einzelnen Todesfall dabei bin? Wie soll ich das denn anstellen? Ich sammle nur die Seelen ein, nachdem die Leute verstorben sind...
Mann: Und was stellen Sie dann mit diesen Seelen an, wenn man fragen darf? Bringen Sie die guten in den Himmel und die bösen in die Hölle, oder wie darf ich das verstehen?
Tod: Pff, spinnen Sie doch nicht rum, Mann. Gut und böse gibt's bei Seelen schonmal gar nicht. Seelen sind Seelen. Zum Feierabend gebe ich die dann zum Recycling.
Mann: Bitte was? Wie bitte recyclet man denn Seelen?
Tod: Mann, sind Sie schwer von Begriff. Schonmal 'ne Flasche ins Altglas gebracht? Wesentlich anders läuft's bei den Seelen auch nicht ab.
Mann: Und was wird dann aus den Seelen?
Tod: Na neue Flaschen...Seelen mein ich. Sie machen mich ganz meschugge, Mann. Die werden dann eben in Neugeborene eingepflanzt.
Mann: Also gibt es kein Leben nach dem Tod? Besitze ich auch so eine recyclete Seele, oder wie?
Tod: Haha, Leben nach dem Tod, nee, vergessen Sie das mal ganz schnell wieder. Man nimmt einfach ne Seele, schmeißt sie in den Container und ab dafür. Wie bei Glas gibt es übrigens auch bei Seelen für die verschiedenen Farben unterschiedliche Container. Da gibt es Weißseelen, Schwarzseelen, Braunseelen, Gelbseelen...
Mann: Was? Sie wollen allen Ernstes behaupten, Seelen seien nach Rassen getrennt?
Tod: Klar, Mann. Macht ihr hier unten doch auch nicht anders. Einmal, da habe ich aus Versehen 'ne weiße Seele in den Schwarzseelencontainer geschmissen. Das gab vielleicht einen Ärger. Aber das Weiße schimmerte dann doch irgendwann auch äußerlich durch und der Typ wurde dann Sänger oder sowas. Die Seele war auch irgendwie ganz kaputt irgendwann. Sowas passiert halt, wenn man sich mal vertut. Das ist halt ein wirklich verantwortungsvoller Job, den ich da habe. Man muss ja auch die Frauen- von den Männerseelen unterscheiden. Dabei läuft mir auch des Öfteren mal was schief. Dann werden die homo oder lassen sich gar umwandeln und so Zeug. Da muss man dann auch aufpassen, wenn man sich die Seelen zurückholt, dass man die das nächste Mal nicht wieder falsch einschmeißt.
Mann: Das ist ja furchtbar! Lastet denn die Verantwortung allein auf Ihren Schultern? Haben Sie denn gar keinen, der Sie unterstützt?
Tod: Nee, auch der Himmel muss Personal einsparen. Aber mein Boss hat mir vor ein paar Jahren dann die Stundenzahl gekürzt, weil ich wirklich fast rund um die Uhr am Schuften war. Zuerst hat er für alle Chinesen eine einzelne Seele entwickeln lassen, so dass ich die der Verstorbenen nicht mehr extra einsammeln muss. Wir nehmen da jetzt einfach immer 'ne Kopie von diesem Prototyp da. Sehr praktisch, das. Und na ja, Afrika habe ich dann vor ein paar Jahren auch aufgeben dürfen. Die sterben da einfach wie die Fliegen, da kommt ja keiner mehr hinterher. Die machen dafür aber so komische Begräbnistänze. Dadurch setzen sie die Seelen wohl auch irgendwie frei, hab' ich nie so ganz verstanden. Ob die Neugeborenen da überhaupt noch Seelen eingepflanzt bekommen weiß ich leider auch nicht, das is' ja 'ne ganz andere Abteilung. Zum Glück lebt ihr in Mitteleuropa mittlerweile alle so lang. Zu Zeiten der Pest damals hab ich echt kaum Schlaf bekommen wegen euch...
Mann: So, so, der Tod muss also auch noch schlafen, verstehe. Würde mich nicht überraschen, wenn er auch noch selber sterben könnte...
Tod: Blödsinn. Wenn ich nicht ausgeschlafen bin, dann mache ich eben mehr Fehler beim Sortieren. Diese Weltkriege damals, da sind mir auch ein paar Seelen abhanden gekommen, weil ich so übermüdet war. Durch diesen ständigen Bevölkerungswachstum auf der Welt kommt man auch mit dem Kopieren kaum nach, so dass viele erstmal ohne Seele auskommen müssen. Oder halt mit ner chinesischen, die sind recht simpel, da geht das Kopieren schneller.
Mann: Ich habe doch wohl hoffentlich keine chinesische Seele, oder?
Tod: Iwo, Sie haben die typische, mitteleuropäische Arbeiterseele. Davon gibt's auch nicht mehr so viele wie früher einmal. Ich bin einfach überarbeitet, brauche mal Urlaub oder sowas. Aber dann alles nacharbeiten, nä, da hab' ich auch keinen Bock drauf.
Mann: Sie haben wirklich einen an der Klatsche, mein Herr. Solch eine absurde Geschichte habe ich meinen Lebtag noch nicht gehört. Wenn Sie wirklich der Tod wären, wieso könnte ich Sie denn dann wohl sehen, hm? Hm?!