Friday, April 25, 2008

Rauhfaser

Sie schlief immer an der Wand. Sie lehnte sich mit ihrem nackten Oberkörper an die kalte Tapete und genoss die Gänsehaut, die sich über ihren ganzen Körper verteilte. Erst dann konnte sie loslassen.

Es war nicht ihre Schuld, dass sie so geworden ist. Wenn sie aufwachte und sich ihr schweißgebadeter Körper von der Wand löste, dann dachte sie für einen kurzen Augenblick zurück. An all die Dinge, die langsam verblassten, so wie auch sie mit den Jahren immer fahler zu werden schien.

Und er hatte Angst um sie. Im selben Raum sitzend fragte er sich, wo sie wohl steckte. Man konnte sie nicht mehr unterscheiden. Die Wand und sie wurden schließlich eins. Und er wusste, er hatte sie verloren. Er wusste, er würde sie nicht mehr wiederfinden.

Es war nicht seine Schuld, dass sie so geworden ist. Niemand fragte mehr nach der Schuld.
Fortan schlief er an der Wand. Jede Nacht strich er mit seinen Fingern sanft über die kalte, rauhfasertapezierte Wand und stellte sich vor, es sei die Gänsehaut auf ihrem alpinaweißen Rücken. Bis er sie selber spürte. Erst dann konnte er loslassen.

Friday, April 11, 2008

Im Meer baden

Das Wasser kocht über, doch sie steht nur daneben und will nicht mehr. Es zischt wie eine Schlange, die kurz davor ist einem ihr Gift in die Adern zu stoßen. Doch sie setzt sich auf ihren Stuhl und sieht tatenlos dabei zu, wie das Wasser über den Rand schwappt. Dann hält sie es nicht mehr aus, nimmt den Topf runter und trotzdem zischt es, weil das Wasser weiter überläuft und auf die Platte tropft. Nicht mehr aus dem Topf, sondern aus ihren Augen, und das Zischen scheint noch lauter und bedrohlicher zu sein, eine Würgeschlange vielleicht, so eine, die einen als Ganzes verschlingt. Die zischen wahrscheinlich nicht einmal.
Die Nudeln lässt sie stehen und sie vergisst ihren Hunger. Sie geht baden und schläft dabei ein, während der Regen an ihr Badezimmerfenster schlägt. Sie träumt von einem Wasserfall, wie sie sich hinunterstürzt, mit ausgebreiteten Armen und klarem Kopf. Sie träumt vom Eintritt in das Wasser, wie jeder einzelne Knochen in ihrem Körper in tausend kleine Stücke zerspringt, wie ihr bewegungsloser Körper an der Oberfläche weiter flussabwärts treibt, bis er schließlich im Meer angekommen versinkt.
Es ist der schönste Traum, den sie je hatte.

Tuesday, April 08, 2008

ungesagt

Es ist ein Zögern und Warten
ein Durchbrechen der Stille
wie nur wir sie kennen
wie ein Haus aus Karten
welches wir verbrennen
bevor der Wind es uns nimmt

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Es ist ein Reden und Schweigen
es ist ein Beideszugleich
wie nur wir es kennen
wenn die Köpfe sich neigen
und unsere Wege sich trennen
bevor sie selbst ein Ende finden

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Es ist ein Hören und Sehen
was nicht entdeckt werden will
so wie wir uns kennen
werden wir zugrunde gehen
wenn wir es beim Namen nennen
kommt der Morgen viel zu früh

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Es ist ein Halten und Ziehen
es ist ein Bleiben und Fliehen
es ist ein Kratzen und Beißen
es ist ein Kleben und Reißen
es kennt keinen Vergleich
es ist ein Alleszugleich
wie nur wir es kennen
unser gefallenes Reich
doch wir fallen weich
und wir landen hart

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Alleszugleich

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kein Anfang kein Ende
kein Kurs keine Wende
kein Start und kein Ziel
es ist nichts und doch viel

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Alleszugleich

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und nur ein Gedanke
und nur ein Gefängnis
und nur eine Schranke
mein treues Verhängnis
ein Wort zuviel
ein anderes zuwenig
unser gefallenes Reich
es braucht einen König
doch ich kann es nicht sein
nicht alles zugleich


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