Thursday, November 13, 2008

Neujahrslied

Tschüs altes Jahr
du kannst nun endlich gehen
mach Platz für Dinge
die sich nicht im Kreise drehen

Tschüs altes Jahr
wir können ja Freunde bleiben
für die Zeit, die uns noch bleibt
um sie schneller zu vertreiben

Du hast viel zu viel
gefordert und befohlen
du holtest viel zu oft
neues Feuer für die Kohlen

Und ich weiß nicht wohin
treibt mit die Flucht vor deinem Sinn
doch eines weiß ich genau
aus dir werd' ich nicht schlau
aus dir werd' ich nicht schlau

Mach's gut Jahr
und grüß' die alten Kollegen
sag ihnen es sei schon gut
es hätt' an mir gelegen

Dass nichts so war
wie es sein sollte
und mich der Winter
letztlich einfach überrollte

Und ich schaufle dein Grab
bis ich den Schatz gefunden hab
und mir ist schon ganz flau
aus dir werd' ich nicht schlau
aus dir werd' ich nicht schlau

Und ich wink' dir ein letztes Mal
und dann ist es mir auch egal
und dann ist es mir auch egal 

Wednesday, November 12, 2008

Sparring


Hast du aufgegeben
oder hälst du noch fest
an den verlorenen Jahren
nur um diesen Test
an die Wand zu fahren
bau' ein neues Nest
ohne Dach überm Kopf
ein Deckel ohne Topf
nur leicht verletzt

Hast du aufgeben
oder bist du noch mutig
genug um nach Vorne zu schauen
ist deine Nase auch blutig
lass' das Blut sich nicht stauen
lass' es raus, lass es laufen
spül' es ab, crem' dich ein
denn in dem großen Haufen
wird schon jemand sein
der dich schlägt, der dich beißt und
auf deine Liebe scheißt und
mit ein wenig Glück
bleibst du auch diesmal nur
leicht verletzt 
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Monday, November 10, 2008

Der Mann an ihrem Bett

Das erste mal sah ich sie auf dem Grund eines Flusses und wusste genau, dass ich den Rest meines Lebens mit ihr verbringen wollte. Sie sah aus, als ob sie schlief, mit einem Lächeln im Gesicht, das von einem wunderschönen Traum zeugen musste. Vorsichtig löste ich ihren Gurt, aus Angst, sie vielleicht aufzuwecken. Ich zog sie hinauf an die Wasseroberfläche und spürte zum ersten Mal die Strömung und die Kälte. So trieben wir einige Minuten flussabwärts, bis ich es endlich schaffte, uns ans rettende Ufer zu bringen. Der Regen wusch mir das Blut aus dem Gesicht, das ich zuvor gar nicht bemerkte und das mir plötzlich bewusst machte, was überhaupt geschehen war. Ihr sah man es nicht an. Es war wie ein Wunder.
Es dauerte nicht lang, da hörte ich die Sirenen der Rettungskräfte. Ich wusste, alles würde gut werden. Doch sie nahmen sie mir weg und ich schrie und ich flehte, doch sie wollten nicht hören und sie fuhren mit ihr davon. Ich spürte den Einstich der Spritze nicht, die sie mir gaben und wachte erst in einem großen, weißen Raum wieder auf. Mein Körper fühlte sich taub an, in meinen Ohren klangen immer noch die Sirenen und das Rauschen des Flusses, der uns fast verschluckte. Uns.

Die Schwester sah mich irritiert an, versicherte mir aber,  sich erkundigen zu wollen. Alles würde gut werden. Ich solle doch erst einmal gesund werden, hieß es dann. Und ich wurde gesund, so schnell es nur ging. Man dürfe mir keine Auskünfte erteilen, das müsse mit der Familie abgesprochen werden, man werde sich kundig machen. Alles muss seine Richtigkeit haben. Am Tag meiner Entlassung bekam ich endlich die Erlaubnis, sie sehen zu dürfen. Sie schlief immer noch. Man sah ihr nicht an, was passiert war. Jetzt musste sie nur noch aufwachen.
Als ich am nächsten Tag wiederkam, saß ein Mann an ihrem Bett und weinte. Er sah mich mit hasserfüllten Augen an. Ich sollte sehen, was ich angerichtet habe, schrie er mir entgegen. Ich verstand nicht, wer er war und warum er so aufgebracht war. Ich hatte sie doch gerettet. Sie schlief doch nur. Alles sollte gut werden. Doch das wurde es nicht.
Ich wusste von dem Unfall nicht mehr viel. Man hatte mir die Details nicht erzählt, um meinen Genesungsprozess nicht zu gefährden. Der Mann an ihrem Bett hatte dieses Leben, das ich mir flussabwärts treibend nur vorstellen konnte. Er würde jeden Tag hier sitzen, den Rest seines Lebens. Also ging ich und kam nicht mehr zurück.
Es ist das Rauschen, das geblieben ist, und das Heulen der Sirenen. Die Schuld eines zerstörten Traumes, den ich auf dem Grund eines Flusses zurückließ, um einen eigenen zu träumen. Sie wachte nicht mehr auf.