Saturday, July 03, 2010

Frau Niemand

Dieses Gebäude hat keinen Notausgang. Es ist ein Neubau und sollte eigentlich einen haben. Hat es nicht. Wie kann ein so neues Haus keinen Notausgang haben, frage ich ins Nichts. Und nichts antwortet. Und niemand. Niemand wohnt in diesem Haus, außer mir, neben mir. Wenn ich meine Türe öffne, dann sehe ich von Zeit zu Zeit ihren schemenhaften Umriss in den Flur entweichen. Frau Niemand ist scheu. Frau Niemand versteckt sich vor mir, redet nicht gern, auch nicht über meine Petition für einen Notausgang. Die soll der Hausmeister bekommen. Bisher habe nur ich unterschrieben. Sonst wohnt hier ja Niemand, ihre Meinung dazu kenne ich nicht. Ich hoffe, sie ist auf meiner Seite.

Ich warte noch ein paar Tage, doch ich erreiche Niemand nicht. Ich stehe stundenlang vor meiner Tür und sehe durch den Spion. Sie muss doch mal raus. Etwas einkaufen. Zur Arbeit. Oder hat sie keine Arbeit. Doch, Niemand hat Arbeit. Vielleicht arbeitet sie von zu Hause aus. Ich reiche die Petition ein, nur mit meiner Unterschrift.

Es gibt doch keine Not, sagt er, der Hausmeister, es gibt doch keine Notwendigkeit für einen Notausgang ohne Not. Aber wenn es brennt, es kann doch brennen, es kann doch immer mal brennen. Das sieht er nicht kommen, der Hausmeister, das kann er nicht kommen sehen. Irgendwann brennt es hier und dann kommt Niemand lebend raus, sage ich ihm. Da lächelt er mich an, der Hausmeister. Er werde sehen, was sich machen lässt.