Monday, February 25, 2008

Vom Erdboden verschluckt / Schwarze Welle

von den Sternen ist nicht viel übrig
doch uns bleibt ja noch der Mond
es gibt so viel zu verlieren
was sich zu verlieren lohnt
so viel zu gewinnen
wenn man in den Himmel schaut
so viel zu bestaunen
wenn man sich das Staunen traut

es ist kein voller Mond heut' nacht
der dort oben einsam thront
und so schau' ich auf den Boden
weil im Himmel niemand wohnt
und so schau' ich auf den Boden
auf den Boden
wie gewohnt

und so schau' ich auf den Boden
und versink' mit jedem Schritt
ein Stück tiefer
ein Stück tiefer
ein Stück tiefer mit ihr mit
bis die Flut kommt
bis die Flut kommt
bis die Flut kommt
bleib' ich hier
vielleicht trägt sie
vielleicht treibt sie
vielleicht bringt sie
mich zu dir

Monday, February 18, 2008

Beifahrerflucht

Seit dem Unfall sehe ich doppelt. Da ist zwei von allem, wo vorher eins war. Zwei von dir. Direkt nebeneinander. Meistens sieht es dann so aus, als liefe dein Spiegelbild neben dir her. Doch letztens, da war es für einen Augenblick so, als sei etwas nicht richtig, als seien da tatsächlich zwei verschiedene Seelen in deiner Doppelgängerin und dir. Nur eine kleine Geste, doch sie stellte alles auf den Kopf, denn sie war nur einmal wahrzunehmen, nicht doppelt. Seitdem warte ich darauf, dass es noch einmal passiert. Ich weiß, es klingt verrückt. Vielleicht ist bei dem Unfall ja doch mehr in mir kaputt gegangen, als das eh schon Offensichtliche. Etwas, das die Ärzte übersehen haben.

Jetzt, wo ich endgültig an meinem Verstand zu zweifeln beginne, da ist sie wieder. Nur einmal, nicht doppelt. Eine Geste, ein Fingerzeig, der mich zum Folgen aufruft. Nur einer. Ich gehe dir nach bis du stehen bleibst und den Finger auf den Spiegel an der Wand richtest. Nur einmal, nicht doppelt. Ich sehe hinein und will meinen Augen nicht trauen, schaue dich an, alles dreht sich, alles dreht sich doppelt und dann wird es dunkel, ganz furchtbar dunkel.

Die Ärzte sagen, ich hätte unwahrscheinliches Glück gehabt. Mein erneuter Sturz habe einen reversibelen Effekt gehabt, die Doppelsichtigkeit verschwunden, alles wieder normal, alles einzeln, alles nur noch einmal da. So sitzt du nun an meinem Bett, ganz ohne Doppelgängerin, ganz gestenlos, ganz allein. Mein Lächeln wirkt gequält, doch schon in ein paar Tagen werde ich schmerzfrei sein, sagt man mir.

Heute ist meine Entlassung und ich bin froh, endlich wieder in meine normalen Klamotten schlüpfen zu dürfen. Alles ist wieder, wie es vorher war, als sei nie etwas passiert. Ich ziehe meine Jacke über, da sehe ich dich hinter mir im Spiegel und ich weiß, dass ich heute besser dich fahren lasse, da ansonsten ein weiterer Unfall vorprogrammiert wäre.

Fahr' vorsichtig.

Thursday, February 14, 2008

Der schwierigste Moment

>>> Das ist der schwierigste Moment. Wenn Sie das Leben, mit dem Sie eben noch den Raum erfüllte, mit heraus in die Nacht nimmt. Wenn nichts verharrt, als das Echo in meinem Kopf, das nicht verhallen will, weil es es nicht verhallen soll, weil es alles ist, was mir am Ende des Tages bleibt.

>>> Das ist der schwierigste Moment. Doch es ist eh nicht mein Leben, das da aus meiner Tür stolziert. Mein Leben ist hier, mit mir zusammen in der Stille, die nie wirklich ist, die nicht wirklich sein kann, solange Sie verweilt, wenn Sie gegangen ist.

>>> Das ist der schwierigste Moment. Sie ist nur ein Gast, ein Besucher, ein Freund. Sie geht ein und geht aus und geht hauptsächlich fort und ich weiß nicht, warum Sie wiederkommt, wenn Sie doch nie ganz gegangen ist.

>>> Das ist der schwierigste Moment. Die Erkenntnis, dass Sie nie geblieben ist, sondern nur das Gefühl. Nur das Gefühl, noch am Leben zu sein.

Wednesday, February 13, 2008

Schwerelos

Es ist nicht so. Nicht so, wie du es gerne hättest. Sie nehmen dich auf statt in den Arm und lassen dich wieder fallen, wenn du ihnen zu schwer geworden bist. Junge, du musst endlich abnehmen. So kann dich doch niemand lange halten. Da musst du dich nicht wundern, dass es nie so ist, wie du es gerne hättest. Du musst leichter werden, insgesamt leichter. Anders geht es nicht. Je weniger Gewicht du mitbringst, desto länger können sie dich auch tragen.

Klar, deinen Ballast wirst du nicht so einfach los, da musst du lange dran arbeiten. Jeden Tag die ganzen scheinbar Schwerelosen um dich rum, so leicht wirst du es nie haben. Aber du kannst versuchen, dich ihnen anzunähern. Du wirst sehen, die meisten interessieren sich nur für deine äußeren Werte, dein Gewicht bemerken sie meist gar nicht.

Dann ist es so, wie du es gerne hättest. Dann nehmen sie dich in und nicht mehr auf den Arm. Dann bist du einer von ihnen, fast schwerelos, fast glücklich und beinahe nicht mehr da.

Doch so ist es nicht, auch wenn du es gerne hättest. Darum werde ich fortan härter trainieren, um dich möglichst lange stützen zu können, wenn irgendwann deine Beine dein eigenes Gewicht nicht mehr alleine tragen.

Tuesday, February 12, 2008

Verlierer

Wir spielen Verstecken. Jeder sucht sich seinen Unterschlupf und bleibt dort solange sitzen, bis er gefunden wird. Manche haben es nicht so gut raus und werden schnell entdeckt, andere wiederum, die kann man lange suchen. Dann hocken sie in ihren Schlupflöchern und warten darauf, gefunden zu werden, selbst dann noch, wenn die Sucherei nach ihnen längst aufgegeben wurde. Sie nehmen das Spiel zu ernst, wollen auf keinen Fall verlieren und riskieren dabei sogar manchmal, sich selbst nicht wiederzufinden. Dann kann man noch so lange suchen, die findet man nicht mehr, die sind verloren, weil sie nicht verlieren wollen. Weil keiner weiß, was sie zu verlieren haben und weil keiner wissen soll, was sie schon verloren. Weil sie selbst nicht wissen, dass es nichts zu gewinnen gibt, solange sie nicht auch verlieren. Weil sie nicht wissen, dass sie selbst die Suchenden sind, die niemanden finden, da sie sich statt zu suchen lieber selbst verstecken.

...98, 99, 100. Zuviel Zeit, sich Gedanken um ein gutes Versteck zu machen.

Saturday, February 09, 2008

Unwesentliches streichen

Als der letzte Textmarker ausgetrocknet war, blieb nur noch ein schwarzer Stift, der jedoch ein Umdenken erforderlich machte.

Tuesday, February 05, 2008

Kompass

So sehr ich mich auch im Kreise drehe, die Nadel zeigt mir den Norden nicht. Sie kommt nicht zum Stillstand, schlägt immer wieder aus, wenn man gerade das Gefühl hat, auf dem richtigen Wege zu sein. So irre ich umher, auf der Suche nach dir und deinen Spuren im Schnee, auf der Suche nach deinem Weg in die Kälte. Ewig rastlos, wie du bist, so werde ich sein, wenn es doch nur hilft, dich zu finden, dich aus dem ewigen Eis zu ziehen und ins Warme zurückzuholen.

Doch die Wärme war nie deins. Du warst stets auf der Flucht und du wirst es so lange sein, bis meine Nadel gefriert und meine Suche endet. Wenn ich schließlich durch die Kälte irre, mit gefrorenem Kompass und verzagendem Blick, wird es schwer ihn zu finden, den Weg zurück. Zurück ins Warme. Ohne Kompass. Ohne dich.

Monday, February 04, 2008

Zahnschmerzen

Es wächst in mir heran, wie ein Tumor. Es breitet sich aus, bis es mich schließlich irgendwann ganz auffrisst.

Jeden Tag spüre ich die Zähne, wie sie sich in meine Zellen verbeißen und mir vor Schmerz das Atmen fast unmöglich machen.

Die Ärzte sagen, sie können nichts für mich tun. Nur abwarten kann man jetzt, sagen sie. Vielleicht gehe es ja von selbst wieder weg.

Dann sitze ich in der Bahn und spüre die Blicke. Ich weiß, man sieht es mir an, das ist das Allerschlimmste daran, man sieht es mir an, mit jedem Blick sieht man es mir an.

Doch ich will sein, wie die mutigen Menschen. Ich will mich nicht verstecken. Nicht vor den Leuten, nicht vor der Gewissheit, nicht vor mir selbst.


Ich habe keine Angst mehr vor den Zähnen. Ich kann nur abwarten und hoffen, dass sie nichts von mir übrig lassen.